Flucht aus Venezuela: Die Geschichte eines Jungen zwischen Angst und Hoffnung

21. November 2019

Der venezolanische Teenager Jesús Daniel erzählte uns die erschütternde Geschichte, wie seine Familie von Venezuela nach Cúcuta, Kolumbien, geflüchtet ist. In etwa drei Jahren haben mehr als 3 Millionen Menschen Venezuela verlassen, um der Gewalt und der Armut zu entkommen, die durch die ökonomische und politische Krise des Landes verursacht worden ist. Jesús erzählt von der Hoffnung, die seine Familie und andere venezolanische Geflüchtete durch eine lokale Partnerkirche von Compassion erhalten.

"Wir hatten ein friedliches Leben in Valencia, Venezuela. Ich ging mit meinem grossen Bruder José zur Schule. Schon immer habe ich Tiere geliebt, also habe ich mich auch um das Pferd, die Schweine und die Hühner meiner Familie gekümmert. Meine Mutter hatte Arbeit in einer staatlichen Kindertagesstätte.

Aber im Laufe der Zeit entwickelte sich eine wirtschaftliche und soziale Krise in unserem Land, und das Einkommen meiner Mutter reichte nicht mehr für die Grundbedürfnisse unserer Familie. Viele Menschen in der gleichen Situation wanderten aus und suchten in anderen Ländern nach besseren Möglichkeiten. Aber meine Mutter wollte Venezuela nicht verlassen, also zogen wir von Valencia nach Ureña, einer Stadt nahe der Grenze zu Kolumbien."

Ich war traurig, als wir vor dem Umzug unsere Tiere verkauften. Zu dieser Zeit spielte José Baseball in einem anderen Land. Trotz seines Talents dauerte seine sportliche Karriere nicht lange. Er konnte keinen Sponsor finden, meine Mutter hatte kein Geld, um ihn darin zu unterstützen und mein Vater hat uns nie geholfen. Also gab mein Bruder seine Träume auf, ein Profi-Spieler zu werden, und kam zu uns zurück. Er und meine Mutter backten und verkauften jetzt Brot und Backwaren.

Wir lebten zwei Jahre lang in Ureña, bis sich die zivile Gewalt verschärfte. Eine lokale Guerilla-Gruppe begann, junge Leute zu rekrutieren, und meine Mutter war besorgt, dass auch wir rekrutiert würden.

Ich erinnere mich noch an die Nacht, als wir unser geliebtes Land verliessen

Ich war zu Hause, als ich plötzlich grossen Lärm auf der Strasse hörte. Bewaffnete Leute waren ins Haus eines Nachbarn eingedrungen und suchten nach einem bestimmten jungen Mann. Nachdem sie sicher waren, dass er nicht da war, wurde die Bande wütend und warf die Mutter dieser Familie aus dem zweiten Stock auf die Strasse. Sie überlebte nicht.

Mein Bruder José geriet in Panik, er weinte. Alles war chaotisch. Meine Mutter, José, mein kleiner Bruder Sebastián, mein Stiefvater und ich machten uns in dieser Nacht im Dunkeln zu Fuss auf in Richtung Kolumbien. Wir mussten durch den Wald gehen und einen Fluss überqueren, weil der normale Grenzübergang geschlossen war. Ich nahm nichts mit und kam in Cúcuta, Kolumbien, nur mit dem an, was ich auf dem Leib trug.

In Cúcuta fanden wir Menschen, die uns halfen. Ein Mann erlaubte uns, in einem kleinen Holzhaus zu leben, das er aufgegeben hatte. Die Nachbarn liehen uns zwei Matratzen und etwas Küchenzeug.

 

Wir haben nicht viele Dinge, aber zumindest sind wir sicher

Ich begann im Januar 2019, wenige Tage nach meiner Ankunft in Cúcuta, die Foursquare Kirche im Stadtteil Talento zu besuchen. Pastor Jaime ist sehr freundlich; er hat uns in vielerlei Hinsicht geholfen. Es gibt ein Compassionzentrum in der Kirche und meine Familie wurde als eine von 700 venezolanischen Familien ausgewählt, die für drei Monate Nothilfe erhielten. Das war eine Überraschung für uns. Wir waren gesegnet, dass Compassion uns durch die Kirche geholfen hat.

 

 

Ich fühlte, dass wir nicht mehr allein waren

Meine Brüder und ich begannen, Kurse im Compassionzentrum zu besuchen. Ich lernte wichtige Dinge wie zum Beispiel den Drogen fernzubleiben, und ich lernte Gottes Liebe kennen. In Venezuela habe ich früher Fussball gespielt, und das Compassionzentrum liess mich hier mit einem Fussballtrainer trainieren, und ich konnte sogar bei einem Turnier mitspielen. Ich mag Fussball sehr!

Compassion verteilt uns dreimal pro Woche ein leckeres Mittagessen im Zentrum. Meistens haben wir zu Hause nicht genug zu essen, also ist das eine unglaubliche Unterstützung für uns. Im Zentrum lernt meine Mutter auch, wie sie mit Maniküre ein Einkommen für unsere Familie erwirtschaften kann. Nebst dem Essen und dem Fussballtraining haben wir im Zentrum auch medizinische Hilfe erhalten, und viele venezolanische Kinder wie ich erhalten im Zentrum viel Wertschätzung und Liebe.

Ich bin der Kirche und Compassion dankbar, dass sie uns geholfen haben.

Als Ausdruck meiner Dankbarkeit schrieb ich ein Lied an Gott. Einen Teil des Liedes widmete ich Compassion. Das Lied sagt:

 

"Ich bin dankbar für Compassion. Die Leute von Compassion sind jetzt Teil meines Herzens. In den schwierigsten Zeiten waren sie da, um mir Hoffnung zu geben."

 

Meine Mutter träumt, dass wir hier in Kolumbien ein besseres Leben führen und eine gute Zukunft haben können. Dank der Kirche und Compassion haben wir neue Hoffnung geschöpft und wissen, dass wir mit Gottes Hilfe weitergehen können.

Texte und Fotos : Lina Alarcon

Danke für deine Anteilnahme, für die Hilfe für Jesús und so viele andere Kinder aus Venezuela, die inmitten von Angst und Unsicherheit Hoffnung finden.