5 Gründe, warum Mädchen stärker von
extremer Armut bedroht sind

Können wir über einige der Probleme sprechen, mit denen Mädchen in Armut konfrontiert sind? Weibliche Genitalverstümmelung, Periodenarmut, Zwangsheirat im Kindesalter, Menschenhandel und schlechte Bildung – das sind reale Probleme, mit denen Mädchen, die in Armut leben, jeden Tag zu kämpfen haben. Die Herausforderungen sind riesig, aber sie sind nicht unüberwindbar.

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Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)

Jedes Jahr sind drei Millionen Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht (1). Bei dieser brutalen Praxis werden die äusseren weiblichen Genitalien aus nicht-medizinischen Gründen teilweise oder vollständig entfernt. Obwohl FGM in vielen Ländern verboten ist, wird sie oft immer noch als kultureller Übergangsritus angesehen, der zeigen soll, dass ein Mädchen zur Frau geworden und nun bereit für die Ehe ist.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet FGM als „eine extreme Form der Diskriminierung von Frauen“ und „eine Verletzung der Rechte von Kindern“. FGM hat schwerwiegende Folgen: Es kommt zu Infektionen, psychischen Traumata, chronischen Schmerzen, Schwierigkeiten beim Urinieren, Unfruchtbarkeit und sogar zum Tod.

Für die 14-jährige Faith in Kenia sind FGM und Kinderheirat ein Thema, das sie sehr beschäftigt. Jedes fünfte Mädchen und jede fünfte Frau in Kenia im Alter zwischen 15 und 49 Jahren ist Opfer von Genitalverstümmelung geworden, und fast jedes vierte Mädchen wird vor seinem 18. Geburtstag verheiratet (2).

„In unserer Gemeinschaft wird ein Mädchen, wenn es 9 Jahre alt ist, der Genitalverstümmelung unterzogen und dann verheiratet. Ich kenne Mädchen in meinem Alter, die FGM durchgemacht haben"

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Florence Lomariwo

Florence leitet ein Kinderzentrum einer Partnerkirche von Compassion in Kenia. Sie leitet auch eine Schule und ein Rettungszentrum für gefährdete Mädchen. In den letzten 20 Jahren hat sie mehr als 413 Mädchen vor weiblicher Genitalverstümmelung und Kinderheirat beschützt. Heute besuchen diese Mädchen Schulen und Hochschulen. Florence setzt sich mit ganzer Kraft für die Rechte von Mädchen ein, weil sie selbst im Alter von 9 Jahren hätte verheiratet werden sollen.

„Ein alter Mann hatte sich an meine Familie gewandt. Er wollte mich zu seiner vierten Frau machen!“, erinnert sich Florence. „Ich wollte nicht verheiratet werden, also lief ich weg und lebte bei einer anderen Familie, die mich unterstütze, meine Ausbildung abzuschliessen.“

Florence schloss die High School ab und machte ihren Bachelor-Abschluss als Lehrerin. Sie heiratete schliesslich den Mann ihrer Wahl – ein Privileg, das nur wenige Frauen in ihrem Alter hatten. Jetzt wollte sie das Leben von Mädchen in Armut verändern.

„Mädchen und Frauen sind die Säulen einer Nation. Wenn die Mädchen gebildet sind, werden auf familiärer Ebene bessere Entscheidungen getroffen. Das beeinflusst die ganze Gemeinschaft. Wenn Mädchen und Frauen wirtschaftlich gestärkt sind, profitieren alle davon“, sagt Florence.

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Periodenarmut

Wie ist es, seine Periode zu haben, wenn man in Armut lebt? Die Vereinten Nationen schätzen, dass über 1,25 Milliarden menstruierende Frauen und Mädchen keinen Zugang zu einer sicheren, privaten Toilette haben. Binden und Tampons sind für einkommensschwache Familien oft unerschwinglich. So sind die Mädchen gezwungen, unhygienische Lumpen, Zeitungspapier oder Plastiktüten zu benutzen. Die Mädchen können deshalb jeden Monat mehrere Tage nicht zur Schule gehen und verpassen nicht nur Schulstoff, sondern auch Freizeitaktivitäten.

Die Periode ist in vielen Kulturen ein Tabuthema, was menstruierende Mädchen weiter benachteiligt. Monse in Honduras ist 13 Jahre alt. Sie erzählt, dass einige ihrer Freundinnen meinen, über die Periode dürfe man überhaupt nicht sprechen.

„Mädchen schämen sich oder erröten, wenn das Wort Menstruation erwähnt wird. Die Männer in meiner Gemeinde halten Frauen sogar für unrein, wenn sie erfahren, dass wir unsere Periode haben. Sie sind zu wenig aufgeklärt“, erzählt Monse.

Die Stigmatisierung rund um die Periode beeinträchtigt die Würde und das Selbstwertgefühl von Mädchen. Sie sind während ihrer Periode oft allein, werden von Schamgefühlen gelähmt und leiden im Stillen.

Mädchen, die im Patenschaftsprogramm von Compassion sind, werden kulturell sensibel unterstützt, damit sie selbstbewusst und sicher mit ihrer Periode umgehen können. Wendy ist die Leiterin eines Kinderzentrums in Honduras. Sie führt für die Mädchen in ihrer Gemeinde einen Workshop zum Thema Periode durch. Jedes Mädchen erhält eine Box mit Binden, einer Informationsbroschüre, Körperlotionen und süssen Leckereien.

„Dank des Workshops bin ich nicht in Panik geraten, als ich meine erste Periode bekam. Jetzt kann ich während der Periode normal weiterleben“, sagt Monse.

compassion Menschenhandel

Menschenhandel

Jedes Jahr werden Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zum Zweck der Arbeit, der sexuellen Ausbeutung oder der Zwangsverheiratung verschleppt. Nach Angaben der International Labour Organisation (ILO) ist jedes vierte Opfer von Menschenhandel ein Kind. Vor allem Frauen und Mädchen, die in Armut leben, sind von dieser grausamen Realität betroffen – 71 % aller Opfer von Menschenhandel sind weiblich (3).

Manchmal werden Mädchen einfach gekidnappt. In anderen Fällen wird Familien versprochen, dass ihre Töchter anderswo eine bessere Zukunft haben werden. Manchmal sind die Menschenhändler dem Kind bekannt, aber meistens gehören die Täter zu organisierten kriminellen Gruppen. Die Mädchen und Frauen werden in der Regel durch Angst, Gewalt oder Schuldknechtschaft kontrolliert. Es ist schwierig für sie, einen Ausweg zu finden.

Die Anti-Sklaverei-Organisation International Justice Mission (IJM) steht an vorderster Front im Kampf gegen Menschenhandel.  IJM rettet Überlebende von Menschenhandel, gibt ihnen Stabilität und Sicherheit zurück und bringt die Täter und Täterinnen vor Gericht. 

Compassion und IJM arbeiten Seite an Seite und setzen sich für den Schutz von Kindern und die Rechte von Mädchen in Armut auf der ganzen Welt ein. Unsere kirchlichen Partner vor Ort kennen, lieben und beschützen jedes Kind in ihrer Obhut. Durch unser ganzheitliches Kinderpatenschaftsprogramm arbeiten wir eng mit unseren Partnern zusammen, um gefährdete Kinder zu identifizieren und das Risiko, Opfer von Menschenhandel zu werden, zu verringern.

„Unsere Programme und Initiativen sind immer darauf ausgerichtet, Kinder zu schützen. Die Gefahren sind real, und was wir tun, um die Kinder zu schützen, ist auch real"

compassion Kinderheirat

Kinderheirat

Obwohl sie in vielen Ländern illegal ist, ist die Kinderehe weit verbreitet und kulturell tief verwurzelt. Erschreckenderweise nehmen die Zahlen wieder zu. UNICEF schätzt, dass bis 2030 durch die Covid-Pandemie 10 Millionen mehr Mädchen von Kinderheirat betroffen sein könnten. Die Pandemie hat die Bildung der Mädchen unterbrochen, die Armut vergrössert und den Zugang zu sozialen Diensten blockiert – alles Katalysatoren für mehr Kinderheiraten. 

Sobald sie verheiratet sind, wächst der Druck auf die Mädchen, schwanger zu werden, auch wenn ihr junger Körper noch nicht dazu bereit ist. Für diese Mädchen erhöht sich das Risiko von Komplikationen während der Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbett. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Schule abschliessen.

„Kinderheirat ist nicht in Ordnung. Ein Mädchen ist weder körperlich noch geistig in der Lage, die Rolle einer Erwachsenen zu übernehmen“, sagt die 13-jährige Lauri in der Dominikanischen Republik.

In Burkina Faso verheiraten viele Eltern ihre Töchter früh. Obwohl das gesetzliche Heiratsalter bei 17 Jahren liegt, werden nach Angaben von UNICEF mehr als 52 Prozent der Mädchen verheiratet, bevor sie 18 Jahre alt sind. 10% sind sogar jünger als 15 Jahre.

Die 14-jährige Djamila konnte dank der Unterstützung des Kinderzentrums ihre Heirat mit einem viel älteren Mann verhindern. Djamilas Vater plante heimlich, sie noch vor ihrem 15. Geburtstag mit verheiraten. Als sie davon erfuhr, war Djamila entsetzt. Sie würde die Schule abbrechen und Kinder bekommen müssen.

Sofort vertraute sich Djamila der Leiterin ihres Kinderzentrums an, die die Behörden alarmierte. Djamila wurde an einen sicheren Ort gebracht, und ihre Eltern wurden über die Gefahren der Kinderheirat aufgeklärt. Zum Glück änderten sie ihre Meinung.

„Ohne die Unterstützung von Compassion wäre ich gegen meinen Willen verheiratet worden. Ich danke den Mitarbeitenden des Kinderzentrums, dass sie mich davor bewahrt haben. Möge Gott sie segnen“, sagt Djamila.

compassion Abgebrochene Bildung

Abgebrochene Bildung

All das trägt zu einem der grössten Probleme für Mädchen in Armut bei: Fehlende Bildung. Die Pandemie hat diese Bildungskrise für Mädchen noch verschärft. Bis zu 130 Millionen Mädchen waren bereits vor COVID-19 nicht in der Schule. Schätzungsweise 11 Millionen weitere Mädchen sind nach den pandemiebedingten Schulschliessungen nicht in die Schule zurückgekehrt (4).

Es ist wichtig, dass Mädchen in der Schule bleiben. Der wirtschaftliche Vorteil von Bildung ist klar: Jedes zusätzliche Jahr in der Primarschule steigert den zukünftigen Lohn eines Mädchens um bis zu 20%. Aber nicht nur das spätere Einkommen steigt. Schulen sind für Mädchen auch ein Ort der Zuflucht und Sicherheit. Sie bieten soziale, mentale und emotionale Unterstützung und vielerorts auch kostenlose Mahlzeiten. Vor allem aber kann Bildung dazu beitragen, dass Mädchen einen Weg aus der Armut finden und ihr Potenzial voll ausschöpfen können. 

Warum also bleiben Mädchen in Armut zu Hause, anstatt zur Schule zu gehen?
Manche haben einfach keinen Zugang zu einer Schule in ihrem Umfeld. Wir wissen aber auch, dass Mädchen in Krisenzeiten in der Regel die Ersten sind, die die Schule verlassen, und die Letzten, die zurückkehren, wenn überhaupt. Oft müssen sie zu Hause bleiben, um sich um jüngere Geschwister zu kümmern und im Haushalt zu helfen. Sie können aus finanziellen oder kulturellen Gründen zu Kinderarbeit oder Heirat gezwungen werden. Manche werden schwanger oder können während ihrer Periode nicht zur Schule gehen. In vielen Fällen unterstützen die Eltern ihre weitere Ausbildung nicht und verstärken so den generationenübergreifenden Kreislauf der Armut. 

Das Kinderpatenschaftsprogramm von Compassion hilft, diese Hindernisse zu beseitigen, damit Mädchen ihre Ausbildung abschliessen. Fatoumata in Burkina Faso konnte dank der Unterstützung durch ihren Paten, ihre Kirche und Compassion als erste Person in ihrer Familie eine Universität besuchen. Sie setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass auch andere junge Frauen die Armut überwinden und alles erreichen, was sie erreichen wollen.

„Gib niemals die Bildung auf, vor allem nicht für Mädchen. Ein Sprichwort sagt, dass die Bildung eines Mädchens die Bildung einer Nation bedeutet. Bildung ist der Schlüssel für Kinder, um ihre gottgegebenen Fähigkeiten zu entwickeln“, sagt Fatoumata.

Die Probleme, von denen Mädchen in Armut betroffen sind, sind enorm. Jetzt ist die Zeit, um die Genitalverstümmelung von Mädchen zu beenden, Periodenarmut zu lindern, Kinderhandel zu verhindern, Kinderehen auszurotten und Mädchen wieder in die Schule zu bringen!

Durch eine Patenschaft für ein Mädchen kannst du einem Mädchen Hoffnung für die Zukunft geben.

Durch deine Patenschaft erhält ein Mädchen ein unterstützendes Netzwerk. Nicht nur die Kindheit, auch die Zukunft der Mädchen wird geschützt. Sie werden von den Mitarbeitenden vor Ort beraten und persönlich betreut. Sie erhalten regelmässige Gesundheitschecks, Unterstützung bei der Hygiene, zusätzliche Ernährung, eine Berufsausbildung und lernen Kompetenzen fürs Leben. Sie erhalten ermutigende Briefe von einer Patin oder einem Paten.